Dienstag, 20. Januar 2015

Wartezimmer

Hallo ihr!

Nun neigt sich der erste Monat des neuen Jahres ja auch schon dem Ende zu, und hier findet sich immer noch kein Wort einer Geschichte. Es ist nicht so, dass ich gar nichts geschrieben hätte, das habe ich nämlich. Nur leider bin ich - wie (denke ich) jeder Mensch, der schreibt - sehr selbstkritisch mit mir und mit dem, was ich auf's Papier bringe. Da ich aber weiß, dass ich ganz dringend wieder posten und euch an meinen Gedanken teilhaben lassen muss, überwinde ich mich heute.
Vor einigen Tagen saß ich im Wartezimmer beim Arzt und wusste, ich würde mindestens eine Stunde warten müssen. Also habe ich meinen kleinen Notizblock herausgeholt, den ich immer in meiner Handtasche mit mir rumschleppe, habe den Stift angesetzt und erstmal eine ganze Weile auf das leere Papier gestarrt. Wahrscheinlich wurde ich von den anderen Wartenden dafür ziemlich verwundert angesehen, aber (obwohl ich natürlich weiß, dass das die falsche Methode ist, um etwas sinnvolles in Worte zu fassen) ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, JETZT etwas zu schreiben. Dabei herumgekommen ist folgendes:

Ich sitze in einem kleinen Raum mit acht Stühlen. Die Wände sind orange und gelb, sie strahlen so fröhlich als wäre heute der schönste Tag, den sie als Wand erleben dürfen. An einer von ihnen sind zwei große Fenster, hinter denen der wolkenfreie Himmel zu erkennen ist. Sie verspotten die Wartenden dafür, dass sie sich Drinnen befinden. In der Mitte des Raumes steht ein Tisch und auf dem Tisch liegen Zeitschriften, die auch für den Rest der Zeit, die ich hier heute verbringen werde, von mir unberührt bleiben werden. Auf sieben der acht Stühle sitzen andere Menschen, unterschiedliche, teilweise befremdliche Personen. Eine junge Frau, vielleicht 25, dünn, etwas mager, mit Ringen unter den Augen, in ihren Händen eine der Zeitschriften, für die ich kein Interesse zeige. Daneben ein alter Herr, mit Mantel und Hut, als rechne er damit, dass er den Raum eilig würde verlassen müssen. Sein Blick wandert immer wieder über die anderen Wartenden. An seiner Seite sitzt eine ebenfalls alte Dame; sie legt dem Herrn immer wieder beruhigend die Hand auf das Bein. An der gegenüberliegenden Wand, an der mit den verspottenden Fenstern, sitzen drei Personen: Ein Junge, etwa 16, mit zerfetzten Jeans, schwarzer Lederjacke und Nasenpiercing. Er starrt gelangweilt auf sein Handy und beachtet den Rest der Welt nicht weiter. Ein Mädchen und seine Mutter; die Mutter trägt strenge Klamotten und hat diese typische Hausfrauen-Frisur, und auch in ihren Händen liegt eine Zeitschrift; das Mädchen ist so um die sechs Jahre alt, ihr glattes Haar fällt ihr teilweise vor das Gesicht und sie summt leise eine Melodie vor sich hin, sodass sie glatt in einem Horrorfilm mitspielen könnte, in einem von denen, wegen denen man, nachdem man sie gesehen hat, erstmal einen Bogen um kleine, gruselige Mädchen mit langen glatten Haaren macht. 
Ich sitze an der Wand gegenüber von der Wand mit der Tür. Neben mir sitzt ein Mann mitte 40, er hustet beinahe ununterbrochen, sitzt gekrümmt und ich bin mir fast sicher, dass er mich (mit was auch immer) anstecken wird, wenn die Arzthelferinnen ihn nicht bald aufrufen. 
Alles in allem ist dieser kleine Raum mit den freundlichen Wänden, den Fenstern, die einen dafür auslachen, dass man den Vormittag in diesem Wartezimmer verbringen muss, und dem Tisch mit den uninteressanten Zeitschriften mehr als voll, keiner traut sich laut mit jemand anderem zu reden, jeder versucht, Blickkontakt zu meiden und sogar die Wände, die Fenster und der Tisch schweigen sich an.
Mitten unter ihnen sitze ich, meinen Notizblock auf den Beinen, einen schwarzen Stift in der Hand, den Blick ab und zu erhoben, damit ich die Leute betrachten kann, die darauf warten, ins Behandlungszimmer zu dürfen, und die Worte, die meine Finger, meine Hand und mein ganzer Arm durch den Stift auf das Papier bringen. Vielleicht bin ich die befremdlichste Person in diesem Raum, aber das ist mir egal.

Ich finde es immer wieder amüsant, wie viel einem, wenn man schreibt, über ein ganz gewöhnliches Wartezimmer einfällt. Wirklich sinnvoll ist das Ganze natürlich nicht, aber darum geht es beim Schreiben auch nicht. Es geht darum, Übung zu bekommen, da ist es völlig egal, WAS man schreibt. Hauptsache schreiben.

Bis bald hoffentlich,

Eure Anna


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