Mittwoch, 3. Dezember 2014

Der erste Schnee

Ein kleines Mädchen, nicht älter als fünf Jahre, mit goldblondem Haar und blasser Haut, steht auf der Straße und starrt in den wolkenbedeckten Himmel. Obwohl es eisig kalt ist, friert das Mädchen in seinem dünnen Jäckchen nicht. Es steht regungslos da, die kleinen Hände zu Fäusten geballt, die Lippen fest zusammengepresst. Heute ist der Tag vor Heiligabend und es hatte dieses Jahr immer noch nicht geschneit. Doch jetzt sollte es endlich so weit sein.
Die Luft ist so kalt, dass der Atem des Mädchens gefriert, sobald er seinen Mund verlässt. Seine Finger sind rot, seine Lippen bläulich, und dennoch bleibt es stehen. Wenn man das Mädchen weiter beobachtet, so sieht man, wie seine Augen sich langsam weiten, wie der Mund sich leicht öffnet und es zu einem erstaunten Oh ansetzt. Kleine kristallförmige weiße Schneeflocken fallen vom Himmel. Die erste von ihnen, eine große und runde, landet auf der nun ausgestreckten Hand des Mädchens. Fasziniert beobachtet dieses, wie der kleine Kristall in ihrer kleinen Hand schmilzt, während weitere dieser kleinen Kristalle um sie herum auf dem Boden landen. Ein freudiges Lächeln breitet sich auf dem Gesicht des jungen Mädchens aus, es streckt die Arme aus und beginnt, übermütig im Kreis zu tanzen. Erst, als die Straße von einer dünnen Schneeschicht bedeckt ist, rennt es ins Haus, um seinen Eltern davon zu erzählen, dass es schneit.

Gestern Abend wollte ich noch etwas schreiben. Worüber, das war mir im Prinzip völlig egal. Ich finde es immer wieder faszinierend, einen ganz einfachen, vielleicht sogar alltäglichen Vorgang zu beschreiben. Zum Beispiel schrieb ich bereits über das Schwimmen, über eine Person, die einen Kopfsprung ins Wasser macht, über Jemanden, der eine Tasse Tee vor dem Karmin trinkt, über ein Kind, das die Straße überquert.
Dieses Mal habe ich über den ersten Schnee geschrieben. Natürlich könnte man sagen: "Ein Mädchen steht auf der Straße und wartet auf den Schnee. Als dieser fällt, freut es sich." Damit hätte man das ganze in zwei Sätzen abgehakt. Aber ich finde es gerade interessant, etwas so normales so ausführlich zu beschreiben.
Vielleicht bekommen wir auch bald den ersten Schnee (Viele haben ihn bestimmt schon, aber wir hier in unserem Dörfchen sind noch nicht so weit).

Ich wünsche euch eine schöne Vorweihnachtszeit!

Eure Anna






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